Wie steht es um die heimischen Handwerksfleischer, was zeichnet sie aus, welche Trends gibt es und hat das Fleischerhandwerk eine Zukunftsperspektive? Das haben wir Dr. Reinhard von Stoutz vom Deutschen Fleischer-Verband gefragt. Wichtig: Eine pauschale Antwort gibt es nicht, denn jede der rund 10.000 handwerklichen Fleischereien in Deutschland hat andere Voraussetzungen und regionale Anforderungen.
Was macht einen Handwerksfleischer aus und warum sollte man als Verbraucher dort kaufen?
RvS: Handwerkliche Fleischer sind zumeist Produzent und Verkäufer an den Endkunden in einer Person. Verantwortung und Qualität bekommen daher einen sehr hohen Wert: Rohstoffe werden so regional wie möglich bezogen und Transportwege sind kurz. Zumeist, insbesondere wenn noch selbst geschlachtet wird, sind die Landwirte persönlich bekannt. Wenn geschlachtet wird, dann zumeist mit weniger Zeitdruck als in der Industrie.
Die Mitarbeiter sind zumeist ausgebildet und langfristig, zum Teil seit Generationen mit der Fleischerei verbunden. Der direkte Zugang zu den Verbrauchern ermöglicht Reaktionen auf spezifische (zum Beispiel regionale) Kundenwünsche. Eine Verpackung ist zumeist nur für den Transport notwendig. Einkauf nach Bedarf ist besser möglich als bei verpackter Ware. Die Produkte dürfen in der Regel lange reifen. Das spart Zusatzstoffe.
Im Handwerksbetrieb bekommen Sie Beratung und Information auf Wunsch zu Herkunft, Verarbeitung, Zubereitung, Haltbarkeit, etc. Nachhaltigkeit; auch die soziale und ökonomische wird gelebt.
Welche Trends oder neuen Produkte bzw. Ansätze beobachten Sie?
RvS: Allgemeine Trends gibt es wenige. Die letzten großen sind die Übernahme der Schnittführung anderer Länder, zum Beispiel, um neue Teilstücke zu gewinnen und die längere Reifung des Fleisches. Es gibt jedoch eine ganze Menge junger Unternehmerinnen und Unternehmer, die in ihren Läden sehr interessante Neuerungen einführen. Das beginnt bei der Rückbesinnung auf alte Produktionsmethoden und Rezepturen, geht über die Mast eigener Tiere bis hin zu digitalen Verkaufslösungen.
Neu sind auch 24/7-Verkaufsstätten in Containern, entweder mit Automaten oder einem Roboter bestückt. Viele Fleischer haben eigene Kreationen bei den Produkten oder corona-bedingte neue Liefermöglichkeiten. In der Weiterbildung gibt es seit einigen Jahren den Sommelier für Fleisch oder Wurst. Ähnlich wie beim Wein, lernt man hier viel über Qualitäten von Fleisch und deren Abhängigkeit von Rassen, Haltung, Schlachtung und Reifung.
Die Zahl der Auszubildenden zum Fleischer/in bzw. Fachverkäufer/in als auch der Betriebe sinkt in Deutschland kontinuierlich. Der Bundesverband der Regionalbewegung geht davon aus, dass es bei gleichbleibender Entwicklung 2037 keine Fleischerhandwerksbetriebe in Deutschland mehr geben wird. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
RvS: Die Unternehmen und Betriebe werden in der Tat weniger. Das resultiert aus dem Umstand, dass wir weniger Neugründungen als zumeist altersbedingte Schließungen haben. Die Neugründung einer Fleischerei ist enorm kostenintensiv. Sie brauchen eine Produktion mit allen Maschinen und eine Verkaufsstätte mit Kühlräumen und idealerweise einem gastronomischen Angebot. Früher konnte ein Fleischer sehr klein beginnen und nach und nach seinen Betrieb aufbauen und vergrößern. Das ist heute aus hygienischen und arbeitssicherheitstechnischen Gründen nicht mehr so.
Zudem sind die Anforderungen der Kunden an Produktvielfalt und Öffnungszeiten stark gestiegen, so dass gleichzeitig auch Personal verfügbar sein muss. Gründen ist fast nur möglich, wenn ein Familienmitglied den Betrieb übernimmt. Gibt es keinen Nachfolger, müssen zumeist auch gut laufende Fleischereien schließen.
Wie sehen Sie demzufolge die Zukunft des deutschen Fleischerhandwerks?
RvS: Glücklicherweise erleben wir immer wieder Neugründungen. Diese reichen jedoch in der Zahl nicht aus, die schließenden Betriebe zu kompensieren. Da viele Fleischereien gute Geschäfte machen, wird es auch weiterhin Neugründungen geben. Wir gehen jedoch auch in der Zukunft nicht davon aus, dass diese die Schließungen kompensieren werden. Es wird auch nach 2037 noch gute Fleischereien geben, allerdings in geringerer Zahl als heute.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bereits
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aus ganz Deutschland