Dienstag, 8.August 2023

Was bedeutet der Dauerregen für die Landwirtschaft?

Vor ein paar Wochen ging die Erntesaison in Deutschland los. Bei Sonnenschein und trockenem Wetter gab es nahezu ideale Bedingungen. Doch die Ernte 2023 ist ins Stocken geraten. Denn der Regen behindert vielerorts, dass die Mähdrescher ausrücken können. Für die Getreideernte ist der Regen Gift. So sieht das unter anderem Sebastian Mahler von der Agrar GmbH Ziegelheim. Was die aktuelle Witterung für ihn und seine Kollegen bedeutet, hat er uns im Interview erzählt. Kleiner Spoiler: Dass in diesem Jahr verstärkt nachts gearbeitet werden muss, ist nur eine Folge.

Was bedeutet der aktuelle Dauerregen für die Landwirtschaft?

SM: Der Regen fiel und fällt genau in die Erntezeit sehr werthaltiger Kulturen, bei uns insbesondere Winterweizen und Winterraps. Für den Winterweizen ergibt sich aus der dauerhaften Nässe das Problem, dass zum Beispiel Körner noch in der Ähre keimen können. Das mindert die Qualität, es kann passieren, dass so weniger Brotweizen geerntet wird und viele Partien nur als Futterweizen verwertet werden können. Beim Raps ist die Kombination aus Regen und Wind beziehungsweise teilweise Sturm auch schlecht: Viele Schoten platzen und die Körner fallen aus auf den Boden und können somit nicht mehr geerntet werden. Es entsteht ein Mengenertragsverlust, aber auch Qualitätsmerkmale der Rapskörner werden durch das anhaltend schlechte Wetter negativ beeinflusst.

Für andere Kulturen hingegen, die lange unter der Trockenheit litten und noch nicht geerntet werden müssen, ist der Regen Segen, so z.B. für die Zuckerrüben und den (Futter-) Mais. Es gibt pflanzenbaulich also gute und schlechte Auswirkungen.
Es gibt auch Landstriche in Deutschland, da sind Einzelschläge wegen aufgeweichter Böden nicht befahrbar, weil der Boden viel zu nass ist. Und dann kann der Landwirt nicht ernten, was einem Totalausfall gleicht.     

Welche konkreten Auswirkungen gibt es für Ihren Betrieb?

SM: Aktuell versuchen wir natürlich insbesondere den Winterweizen und den Raps so trocken wie möglich zu ernten. Dafür werden alle trockenen Zeitfenster genutzt. Wenn es organisatorisch möglich ist, versucht man – zum Beispiel durch Kooperation mit anderen Betrieben – die Schlagkraft zu erhöhen und drischt dann gemeinsam mit vielen Mähdreschern allen Raps fertig. Damit ist man mit dem Raps schneller fertig, kann die Mähdrescher und Schneidwerke wieder auf Weizen umbauen und ist dann parat in den Startlöchern, wenn das nächste ausreichend trockene meteorologische Erntefenster für den Winterweizen offensteht. Die ungünstigen Bedingungen drücken aber auf die Kosten: Arbeitserledigungskosten steigen, weil – dann, wenn es eben gerade ging – bis in die tiefe Nacht hinein gedroschen wird, Überstunden anfallen, am Wochenende gedroschen werden muss, etc. Das war in den trockenen Jahren deutlich einfacher – da konnte man meist die ganze Woche im Rahmen der üblichen Arbeitszeit den Drusch durchführen. Andere Betriebe nutzen zur Schlagkrafterhöhung Leihmaschinen bzw. Lohnunternehmer – auch die müssen bezahlt werden und erhöhen dann die Erntekosten.

Teilweise muss der Raps und der Weizen aber auch zu feucht geerntet werden. Das äußerst sich für den Landwirt mit deutlichen Abschlägen beim Preis, wenn die Ware getrocknet werden muss. Einige Landwirte haben auch eigenen Trocknungsanlagen, die die Abwärme zum Beispiel von Biogasanlagen nutzen, aber auch diese sind nicht kostenfrei zu betreiben. Für viele Landwirte sind also niedrigere Einnahmen durch Abzüge (zum Beispiel für Trocknung, Qualität) bei gestiegenen Kosten für die Ernte betriebswirtschaftliche Realität.

Was bedeutet das für unsere Versorgungssicherheit? Müssen wir uns auf höhere Preise/knappere Waren einstellen?

SM: Das ist aus einzelbetrieblicher Sicht schwer zu beurteilen […]. Sicherlich können wir für die regionalen Märkte aber sagen, dass wenn weniger Brotgetreide-Qualität geerntet wird, dann Brotgetreide auch dementsprechend teurer werden kann. Das kann auch auf Brot und Brötchen bis auf den Bäckereitresen durchschlagen. […] Ob die nationale Versorgungssicherheit dadurch gefährdet werden könnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Vorstellen kann ich mir das nicht.

Herr Mahler, vielen Dank für das Gespräch!

 

Fotos: S. Mahler


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