Könnten Obst und Gemüse in Krisenzeiten in Deutschland knapp werden? Warum der Selbstversorgungsgrad in Deutschland relativ niedrig ist und wie sich das ändern könnte, das haben wir Uwe Feiler, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefragt (Foto © BMEL).
Aktuell liegt der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse bei 37 Prozent, bei Obst sogar nur bei 22 Prozent. Warum ist das so?
"Viele Obst- und Gemüsearten, die unsere Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen und gerne essen – etwa Bananen, Avocados oder Zitrusfrüchte – wachsen klimatisch bedingt bei uns in Deutschland nicht. Anderes Obst und Gemüse, das auch in Deutschland angebaut wird, kann – ebenfalls aufgrund des Klimas – in anderen Ländern ressourcenschonender angebaut werden. Dank unserer Bauern kann sich Deutschland aber jederzeit selbst ernähren, gerade in der jetzigen Zeit ist das beruhigend und zeigt, wie wichtig eine multifunktionale und flächendeckende Landwirtschaft im eigenen Land ist. Wir haben einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent zum Beispiel bei Kartoffeln, Käse, Frischmilchprodukten, Getreide oder Schweinefleisch."
Welche Rolle spielen Lohnkosten und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln diesbezüglich?
"Der deutsche Gartenbau muss sich dem innerdeutschen Wettbewerb stellen. Das Lohnkostenniveau in Deutschland ist im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten relativ hoch. Daraus ergibt sich zunächst ein Wettbewerbsnachteil. Dies ist nicht zuletzt auch an der Zahl der Bewerber für eine Lehrstelle im Gartenbau abzulesen. Hinsichtlich einfacher Arbeiten, streben wir daher einen weiter steigenden Mechanisierungsgrad an, um auf diese Weise eine Verringerung der Arbeitskosten zu erreichen. Was die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln angeht, so gelten in der EU festgelegte Grenzwerte ja auch für den Import."
Was müsste sich ändern, um den Selbstversorgungsgrad bei Obst und Gemüse in Deutschland steigern zu können?
"Sehr hohe Selbstversorgungsgrade finden sich zum Beispiel bei Spargel und Tafeläpfeln. Bei Spargel hat sich die Verbraucherpräferenz in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich zu heimischem Spargel entwickelt. Beim Tafelapfel kommen wir auf Selbstversorgungsgrade bis 60 Prozent. Die Verbraucher haben es also mit in der Hand. Indem sie sich für regionale und saisonale Produkte entscheiden. Damit üben sie Einfluss aus, was auf Dauer produziert wird."
Wann könnte es sein, dass Obst und Gemüse tatsächlich knapp werden?
"Unsere Versorgung in Deutschland mit Grundnahrungsmitteln ist gesichert – das ist die entscheidende Botschaft. Auch die Lieferketten, das bestätigen uns die Verbände, sind weitgehend intakt. Für die Sonderkulturen bei uns in Deutschland gilt, dass es aufgrund fehlender Saisonarbeitskräfte schwierig werden kann, wie gewohnt die Ernten einzubringen oder zu pflanzen. Das bereitet vielen Bauern Sorge. Deshalb helfen wir ihnen mit einem ganzen Maßnahmenpaket und versuchen, inländische Arbeitskräfte zu mobilisieren: Die Bezieher von Kurzarbeitergelder dürfen ohne Anrechnung hinzuverdienen, auch in der Landwirtschaft. Flexibilisierungen und finanzielle Unterstützungen machen wir möglich. Und mit der Job-Vermittlungs-Plattform daslandhilft.de bringen wir suchende Landwirte und helfende Hände zu sammeln. Und das mit Erfolg – knapp 30.000 helfende Hände haben sich bereits in den ersten fünf Tagen gemeldet."
Vielen Dank!
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