Montag, 13.März 2023

Warum alte Nutztierrassen so wichtig sind und was wir alle für ihren Erhalt tun können

Rote Listen auf denen gefährdete Arten stehen, gibt es nicht nur für Wildtiere. Seit 1986 gibt es eine Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) auf der alte, traditionelle Haustierrassen stehen, die zunehmend verschwinden. Der Verein mit Sitz in Witzenhausen in Nordhessen wurde 1981 gegründet. Die mittlerweile 2.200 Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielfalt der Haustierrassen zu erhalten. Antje Feldmann ist seit 1992 Geschäftsführerin und hat uns im Interview erzählt, wieso diese alten Rassen so wichtig sind und was getan wird, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

Frau Feldmann, wie landet denn eine Tierrasse auf Ihrer roten Liste?

AF: Wir beobachten dafür verschiedene Faktoren. Einmal schauen wir, wie der Bestand der männlichen und weiblichen Tiere aussieht. Dann ist es wichtig zu prüfen, auf wie viele Züchter und Züchterinnen diese Zahl aufgeteilt ist. Wenn es beispielsweise von einer Schafrasse noch 4.000 Tiere in Deutschland gibt und diese aber nur auf drei Schäfer aufgeteilt sind, kann es sein, dass ein bedeutendes Drittel wegbricht, wenn einer verstirbt oder beschließt, die Zucht aufzulösen. Hier ist es also wichtig zu schauen, wie breit die Rasse über Züchter abgedeckt ist. Die Zahl der Züchter spiegelt sich auch in der Genetik wider. Wenn es nur eine geringe Anzahl an männlichen Tieren gibt, die in der Zucht für die Besamung da sind, spielt auch der Inzuchtfaktor eine wichtige Rolle. Außerdem beobachten wir die Trends. Wir schauen fünf bis zehn Jahre zurück, um herauszufinden, ob neue Züchter gefunden werden konnten und wie sich die Populationsgröße verändert hat. Aus solchen Faktoren berechnen wir dann die Gefährdungskennzahl. Unsere Liste gibt es seit 1986 und wird jährlich überarbeitet. Damals standen 56 Rassen drauf, mittlerweile sind es 176.

Und wie genau sieht die Arbeit des Vereins aus, um die Rassen zu erhalten?

AF: Einerseits sind wir dafür da, Tierhalter zu unterstützen und die Züchter miteinander zu vernetzen. Eine weitere Aufgabe von uns ist es, die Rote Liste zu überwachen und anzupassen. Wir versuchen uns auch in der Politik stark zu machen, um Förderungen für die Rassen zu erhalten und gute Rahmenbedingungen für die Tierhalter zu erreichen. Außerdem arbeiten wir daran, dass die Rassen als Herdbuchtiere in den Zuchtorganisationen aufgenommen und betreut werden. Ein wichtiger Punkt ist auch die bereite Öffentlichkeitsarbeit.

Seit 1995 läuft bei uns das Arche-Projekt. Mittlerweile sind schon 180 Betriebe bundesweit dabei. Bei den Arche-Höfen handelt es sich um landwirtschaftliche Betriebe, die mindestens drei alte Haustierrassen halten. Hier können die Tiere in der Landwirtschaft Einsatz finden und werden traditionell gehalten, damit sie ihre alten Eigenschaften behalten und diese auch genutzt werden können. Aufgeweitet wurde dieses Projekt dann noch auf Arche-Parks, wo sich Besucher die Tiere anschauen können, mehr Kontakt zu den Nutztieren bekommen und über die Rassenvielfalt aufgeklärt werden. Auch im Arche-Dorf und einer Arche-Region werden alte Rassen gemeinschaftlich gezüchtet.

Was macht diese Rassen so wichtig und erhaltenswert?

AF: Sie sind ein wichtiges Kulturgut und wurden früher als Mehrnutzungsrassen mit Leistungen wie Arbeit, Fleisch und Milch gezüchtet, die wichtig waren, um die Ernährung zu sichern. Außerdem können viele Naturschutzgebiete mit den alten Rassen besser erhalten werden, da die modernen Rassen häufig zu schwer und zu anspruchsvoll sind, was beispielsweise den Futterbedarf betrifft. In diesem Zusammenhang sind die alten Rassen wichtig zur Erhaltung einer vielfältigen Kulturlandschaft und als angepasste genetische Ressourcen. Einerseits haben wir nur wenig Wissen über die besonderen Eigenschaften der Rassen und wenn eine komplett verschwindet, besteht die Gefahr, dass wir Eigenschaften verlieren, von denen wir vielleicht noch gar nichts wussten. Wenn es zum Beispiel zu Klimaveränderungen kommt, kann entweder eine Rasse eingesetzt werden, welche für diese Umstände geeignet ist oder die modernen Rassen können durch eine Kreuzung mit einer alten Rasse dahingehend verändert werden, dass sie mit den sich ändernden Bedingungen besser klarkommen. Deshalb ist es wichtig, dass Ressourcen nicht nur in Genbanken gelagert werden, sondern auch gezüchtet werden, damit die Tiere sich anpassen können und entsprechend verfügbar sind.

Wie können Verbraucher helfen, die alten Rassen zu erhalten?

AF: Es ist möglich, direkt beim Landwirt einzukaufen. Viele der Arche-Höfe haben eigene Hofläden, wo sie ihre Produkte anbieten. Einige davon sind auch im Internet zu finden und bieten Online-Bestellungen an. Allgemein ist es ratsam, einfach wachsam einzukaufen. Das heißt, dass man beim Kaufen eines Produkts fragt, um welche Rasse es sich dabei handelt. Unser Motto „Erhalten durch Aufessen“ klingt an dieser Stelle vielleicht etwas fragwürdig, aber Landwirte müssen die Tiere auch aktiv nutzen und es muss eine Nachfrage nach Zuchttieren und Produkten bestehen, sonst lässt sich damit kein Lebensunterhalt verdienen. Dass gewisse Rassen verschwinden, kommt genau daher, weil Verbraucher zum Beispiel lieber mageres und billiges Fleisch kaufen möchten. Die Produzenten finden dann keine Abnehmer mehr für eventuell fettreichere Produkte, wobei die Qualität der Produkte von alten Rassen durch langsameres Wachstum und andere Zusammensetzung besonders wertvoll ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir beim Verbraucher ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Wurst nicht gleich Wurst ist, sondern gerade von den alten Rassen als Qualitätsprodukt gehandelt wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen zur Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. und eine List der Arche-Höfe gibt es auf ihrer

Webseite


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