Donnerstag, 28.September 2023

Faktencheck: Tierhaltung, vegane Ernährung und Klimaschutz

Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind in den vergangenen Jahren immer mehr in unser Bewusstsein getreten. Auch auf Tierhaltung und Landwirtschaft wird dadurch genauer geschaut. So erhoffen sich einige, durch eine vegane Ernährung zum Klimaschutz beizutragen oder fordern sogar eine Abschaffung der Nutztierhaltung. Dr. Wilhelm Windisch, Agrarwissenschaftler und emeritierter Professor für Tierernährung an der Technischen Universität München, hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben ihn gebeten, uns seine Einschätzung zu drei verbreiteten Aussagen rund um Ernährung, Klimaschutz und Nutztierhaltung zu geben.

 

Aussage 1: „Ich ernähre mich vegan, um das Klima zu schützen.“

WW: Zunächst einmal kann sich jeder ernähren, wie er will und wenn er sich vegan ernähren will, dann ist das sein gutes Recht. Und es ist schon so, dass wir mit unserer intensiven Tierhaltung durchaus auch Umweltprobleme verursachen. Weltweit wird zum Beispiel ca. ein Drittel der Getreide- und Maisernte an Nutztiere verfüttert – das sind ja alles Lebensmittel.

Gleichzeitig fällt in der Landwirtschaft aber auch viel nicht-essbare Biomasse an. Das ist Material wie z.B. Gras, Stroh, aber auch Nebenprodukte der Verarbeitung von Erntegütern zu pflanzlichen Lebensmitteln wie z.B. Kleie bei der Herstellung von Mehl. All das können wir als Menschen nicht essen. Genauso verhält es sich bei Hülsenfrüchten, Zuckerrüben und vielem mehr.  Diese nicht-essbare Biomasse macht nun ungefähr vier Kilogramm je Kilogramm eines veganen Produkts aus. Wenn man sich im Geschäft also zum Beispiel ein Kilogramm Brot kauft, dann hat man mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse unvermeidlich im Schlepptau. Diese nicht essbare Biomasse ist viel zu wertvoll, um sie einfach verrotten zu lassen oder Biogas daraus zu machen. Wir können sie verfüttern und daraus somit große Mengen an Lebensmitteln tierischer Herkunft erzeugen.

Man spricht hier auch von einer Kreislaufwirtschaft, also eine Landwirtschaft, bei der die Biomasse (sowohl essbare als auch nicht-essbare) vollständig verwertet wird und die Pflanzennähstoffe (über den tierischen Dünger) wieder zurück in den Kreislauf eingespeist werden, damit dieser in den nächsten Jahren wieder weitergehen kann. Und eine Kreislaufwirtschaft ohne Nutztiere – Das funktioniert nicht.

Fazit: Wenn einer die Umwelt schützen will, dann sollte er zu den Landwirten gehen, die vernünftig und nachhaltig wirtschaften – und dann kann er mit gutem Gewissen dort auch das Fleisch, die Milch, die Eier kaufen und braucht keine Angst zu haben, dass er dadurch das Klima belastet.

 

Aussage 2: „Das Halten von Tieren verbraucht wertvolle Flächen, auf denen man stattdessen direkt pflanzliche Nahrungsmittel für den Menschen anbauen könnte.“

WW: In der modernen Nutztierhaltung brauchen wir höchstwertiges Futter, damit die Tiere hohe Leistung bringen und auch große Mengen an Fleisch, Milch, Eiern und sonstigen tierischen Produkten herstellen. Und es ist tatsächlich so, dass wir davon viele Futtermittel direkt auf dem Acker anbauen. Das ist Nahrungskonkurrenz zum Menschen und das belastet die Umwelt und das Klima. Davon müssen wir in Zukunft wegkommen.

Aber selbst, wenn man überhaupt keine Nutztiere halten würde, gibt es gewaltige Mengen an nicht-essbarer Biomasse. Und auch aus essbarem Material kann durchaus Tierfutter werden. Das haben wir erst in diesem Jahr gesehen: Es gab viel Regen und viele der Weizenflächen, die wir eigentlich als Brotgetreide vorgesehen hatten, eignet sich jetzt nur noch als Futtergetreide. Im Nachhinein sieht es so aus, als wenn wir den Acker für die Nutztiere herangezogen hätten – Aber das ist die falsche Sicht. Es fallen bei der Ernte immer auch mehr oder weniger große Mengen an Futtergetreide nachträglich an, weil uns das Wetter oder sonstige Ereignisse einen Strich durch die Rechnung machen.

Dann haben wir das Grünland. In Deutschland sind 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche absolutes Grünland, das heißt, dass wir es aus topografischen oder klimatischen Gründen gar nicht als Acker zur Erzeugung veganer Nahrung, nutzen können. Und es in Wald zu überführen, hieße ein gewaltiger Verlust an Kulturlandschaft und vor allem auch an Biodiversität.

Fazit: Insgesamt kann man schon sagen, dass ein Teil unseres Überflusses an billigem Fleisch, Milch und Eiern auf Kosten von wertvollen Ackerflächen erzeugt wird, aber bei weitem nicht alles. Der größte Teil entsteht ohne Konkurrenz zur Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln auf dem Acker, insbesondere Milch und Rindfleisch.

 

Aussage 3: „Kühe sind mit ihrem Methanausstoß echte Klimakiller.“

WW: Methan aus der Landwirtschaft müssen wir tatsächlich sehr ernst nehmen. Es ist ein sehr wirksames Treibhausgas. Allerdings muss man sich die Zahlen genauer ansehen: In Deutschland trägt Methan zu etwa sechs Prozent von den CO2-Äquivalenten zu diesen Treibhausgasemissionen bei. Von diesen sechs Prozent stammen vier Prozent aus der Landwirtschaft – und davon wiederum sind es zwei Prozent, die der Nutztierhaltung zuzurechnen sind. Davon kommt das allermeiste aus den Vormägen der Rinder und ein kleiner Teil auch noch aus der Lagerung von Wirtschaftsdüngern.

Nun ist Methan zwar ein sehr starkes Treibhausgas, aber auch ein kurzlebiges. Es bleibt nur wenige Jahre in der Atmosphäre, wird sehr schnell abgebaut. Das heißt, wenn wir eine konstante Anzahl an Tieren haben, dann emittieren diese zwar täglich Methan, aber im gleichen Moment wird altes Methan aus früheren Emissionen wieder abgebaut. Dadurch stellt sich nach wenigen Jahren ein Gleichgewicht zwischen Emission und Abbau ein. Und diese Situation die haben wir jetzt in Deutschland. Das heißt, das, was die Tiere heute an Methan ausstoßen, trägt überhaupt nicht zur Klimaerwärmung bei, weil genau die gleiche Menge aus früheren Emissionen abgebaut wird.

Dazu kommt, dass wir in Deutschland nur noch weniger Wiederkäuer mehr haben. Der Rinderbestand auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland ist momentan so niedrig wie im Jahr 1800. Wenn wir jetzt alle Wiederkäuer von heute auf morgen eliminieren würden, hätte das also gar keinen spürbaren Effekt mehr auf das Klima.

Fazit: Weltweit gesehen müssen wir die Methanemission der Nutztierhaltung sehr kritisch und sorgsam betrachten. Aber diese internationalen Zahlen einfach auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen, ist unseriös. In Deutschland sind wir auf einem Niveau, wo das Methan der Wiederkäuer schlichtweg keine Bedeutung mehr hat. Und wir müssen aufpassen, dass es auch so bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch!


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